Das Vereinswesen setzt in Luxemburg im frühen 19. Jahrhundert ein. Seither sind Tausende Vereine gegründet und viele davon wieder aufgelöst worden. Ihre Zwecke waren und sind vielfältig: Geselligkeit, Sport, Kultur, Wissenschaft, Glaube, soziales Engagement oder Politik. Die Mehrheit der Einwohner Luxemburgs ist Mitglied in mindestens einem Verein, geschätzte 7.000 Vereine sind heute aktiv im Land, über 500 davon in der Hauptstadt. Die Ausstellung beleuchtet das spannende Phänomen „Verein“ in all seinen Facetten, von seinen historischen Vorläufern bis heute.
In Mittelalter und Früher Neuzeit sind die Zunftbruderschaften Vorläufer des Vereinswesens. Diese Zusammenschlüsse boten Hilfe in Notlagen und trugen Sorge für das Seelenheil ihrer Mitglieder. Im Falle der zu Beginn des 15. Jahrhunderts gegründeten Stadtluxemburger Schützenbruderschaft spielte auch bereits die gemeinsame Freizeitgestaltung eine Rolle. Die Eingliederung in das republikanische Frankreich ab 1795 beendete das Zunft- und Bruderschaftswesen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden dann verschiedene bürgerliche Vereinigungen mit rein säkularem Charakter, die Ausdruck des Selbstbewusstseins der städtischen Eliten waren.
Die luxemburgische Verfassung von 1848 garantierte erstmals die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, was zu einer Welle von Vereinsgründungen führte. Nun breitete sich das Vereinswesen auch in der Handwerker- und Arbeiterklasse aus, und neben Musik-, Wissenschafts-, Geselligkeits- und Sportvereinen entstanden auch viele mit gemeinnützigem Zweck, wie beispielsweise freiwillige Feuerwehren (u.a. Grund, Pfaffenthal, Eich, Clausen) und Arbeiterunterstützungsvereine. Erst in den 1880er Jahren werden vermehrt Turn-, Schwimm- und Fahrradvereine gegründet, Anfang des 20. Jahrhunderts folgt dann der Fußball. Das bis heute gültige Gesetz zur Regelung des Vereinswesens wurde 1928 verabschiedet.
Die Ausstellung arbeitet auf unterhaltsame Art und Weise besondere Aspekte des Vereinswesens heraus: die Bedeutung der Statuten, das feierliche Begehen der Jubiläen, Wettkämpfe sowie die Ehrungen verdienter Mitglieder.
Zudem wird gezeigt, wie die Vereine stets Teil größerer gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen waren: Im „Kulturkampf“ des späten 19. Jahrhunderts positionierten sie sich innerhalb des ideologischen Spannungsfelds aus katholischem Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus. Das durch die Industrialisierung veränderte Verhältnis zwischen Land und Stadt sowie zwischen Mensch und Natur brachte einerseits Vereine zur Erhaltung bäuerlicher Traditionen, andererseits solche für Naturschutz und Volksgesundheit hervor. Schließlich bedeutete die Annexion Luxemburgs durch Nazideutschland eine Zäsur für die Vereine, die entweder gleichgeschaltet oder aufgelöst wurden.
Im 21. Jahrhundert müssen viele Traditionsvereine sich an neue Herausforderungen anpassen, um attraktiv zu bleiben. Es kommt zu Fusionen, oder zu Vereinsauflösungen. So stellte kürzlich der älteste Gesangverein der Hauptstadt, die 1848 gegründete Société chorale Grand-Ducale Hollerich, seine Tätigkeit nach über 170 Jahren ein. Trotzdem befindet sich das Vereinswesen nicht in der Krise – fast wöchentlich werden neue Vereine gegründet, ihr gesellschaftlicher Beitrag ist nach wie vor bedeutend.